Tag der Pflegenden

»Pflegenotstand? Pflegeaufstand!«

14.05.2019

Rund um den diesjährigen »Tag der Pflegenden« waren Beschäftigte der Alten- und Krankenpflege vielerorts für mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen auf der Straße.

»Pflegenotstand? Pflegeaufstand!« Unter diesem Motto waren allein in Kiel am vergangenen Samstag (11. Mai 2019) rund 600 Pflegekräfte auf der Straße – ein neuer Rekord für die jährlich stattfindende Demonstration zum »Tag der Pflegenden«. Aus vielen Landesteilen waren Beschäftigte aus der Alten- und Krankenpflege in Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt gekommen. Als Zeichen gegen die Pflichtmitgliedschaft in der Landespflegekammer trugen viele von ihnen gelbe Westen. Sie forderten, dass alle Pflegekräfte des Bundeslandes zur Mitgliedschaft in der Kammer befragt werden.

Auch viele Auszubildende nahmen am Protestzug teil. Ihre Forderung: die Verbesserung der Ausbildungsqualität. Denn oft würden sie wie examinierte Pflegekräfte eingesetzt und dazu missbraucht, Personallücken zu schließen.

 
In Kiel haben 600 Pflegekräfte gegen den »Pflegenotstand« protestiert.

Bundesweit stand bei den diesjährigen Aktionen um »Tag der Pflegenden« erneut der Personalmangel in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen im Fokus. Nicht nur die Beschäftigten leiden unter der permanenten Unterbesetzung, auch Patient*innen, Bewohner*innen und Angehörige spüren die Folgen. Arbeitsverdichtung erleben dabei nicht nur die Pflegekräfte, sondern auch Kolleg*innen in therapeutischen Berufen und im Servicebereich. »Trotz des großen Einsatzes der Beschäftigten kommt es zu Pflegefehlern, erhöhtem Sterberisiko und Hygienemängeln. Unwürdige Situationen sind für Patienten, Bewohner und Angehörige in Kliniken und Pflegeinrichtungen alltäglich geworden« kritisiert ver.di-Sekretär Christian Godau bei der Abschlusskundgebung.

Manuela Rasmussen, Krankenschwester in der kardiologischen Abteilung des städtischen Krankenhauses Kiel, setzt sich ebenfalls für Entlastung ein: »Wir fordern gesetzliche Vorgaben, die eine bedarfsgerechte Pflege ermöglichen.« Die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) per Verordnung geschaffenen Pflegepersonaluntergrenzen in wenigen Bereichen seien nicht ausreichend. Das vorgeschriebene Minium sei nicht bedarfsgerecht, sondern könne nur als Notfallversorgung gelten. Doch allzu oft werde diese Minimal- zur Regelbesetzung. »So können wir unsere Patientinnen und Patienten nicht vernünftig versorgen«, stellt Rasmussen klar. Um diese Zustände zu ändern, hat sich die 58-Jährige vor kurzem in den Betriebsrat wählen lassen, wo sie sich für ihre Kolleginnen und Kollegen einsetzt. »Ich mache das im Hinblick auf die Jugend, die uns nachkommt, und weil ich selbst in einigen Jahren auf Pflege angewiesen sein könnte. Es hilft ja nichts, nur zu meckern, aber nicht aktiv zu werden.«

 

Pflegekammer in der Kritik

Im niedersächsischen Lüneburg stand der »Tag der Pflegenden« im Zeichen des Protests gegen die Landespflegekammer, die seit Wochen massiv in der Kritik steht. Wie in Schleswig-Holstein fordern Beschäftigte auch in Niedersachsen eine Vollbefragung aller Pflegekräfte im Land. Die Pflegenden waren mit Fahnen und Transparenten auf dem Marktplatz zusammengekommen. Ralph Eikenberg, Pflegefachkraft bei der ambulanten Pflege Amelinghausen Fischer GmbH, verteilte trotz schlechten Wetters Flugblätter mit der Forderung »Keine Sondersteuer für Pflegekräfte«, um Passant*innen auf die Zwangsbeiträge für die Pflegekammern aufmerksam zu machen. »Die meisten Pflegekräfte im Land sind dagegen«, ist Eikenberg überzeugt.

»Walk of Care«

In Dresden beteiligten sich am 12. Mai rund 250 Klinikbeschäftigte und Unterstützer*innen am »Walk of Care« für mehr Personal, bessere Arbeits- und Ausbildungsbedingungen sowie gute Bezahlung. Das Demo-Bündnis sprach sich zudem für ein »öffentliches und kostenloses Gesundheitswesen, finanziert aus den Milliardengewinnen der Banken und Konzerne« aus.

 
Auch in Dresden waren 250 Personen für mehr Entlastung in der Pflege auf der Straße.

In Berlin fand ebenfalls ein »Walk of Care« statt. Dieser wurde in der Hauptstadt bereits zum dritten Mal vom »Pflegestammtisch« organisiert – einer offenen Runde von Auszubildenden und jungen Pflegekräften. ver.di beteiligte sich an der Aktion und nahm mit einem Redebeitrag vor dem Gesundheitsministerium Stellung.

 
Auch aus Servicebetrieben und den therapeutischen Berufen waren Beschäftigte in Berlin unterwegs.

Im Saarland bereiten sich die Pflegekräfte derweil auf Protestversammlungen am 15. Mai vor. Sie werden »aktive Mittagspausen« vor den Krankenhäusern der Saarland Heilstätten GmbH (SHG) durchführen. Die Beschäftigten der Kliniken in Idar-Oberstein, Saarbrücken-Sonnenberg, Merzig und Völklingen fordern, dass die mit dem Pflegepersonalstärkungsgesetz (PpSG) versprochene Entlastung auch real in den Kliniken ankommt. Verhandlungen über das Thema waren kürzlich am Widerstand des Arbeitgeberverbands gescheitert.

 
Der olympische Brief in der Unfallklinik Ludwigshafen Olympischer Brief im OP: Die ver.dianer Günter Boxheimer und Manfred Heck mit Beschäftigten

Außerdem erreichte der Olympische Brief, der seit Januar quer durch die Kliniken der Bundesrepublik unterwegs ist, am Tag der Pflegenden die Pfalz, er machte Halt in der Unfallklinik und im Klinikum Ludwigshafen. Der erfolgreiche und mittlerweile kilometerlange Protestbrief soll mit den Unterschriften tausender Pflegekräfte, Ärzt*innen, Hebammen, Therapeut*innen und Reinigungskräfte und auch vieler unterstützender Patient*innen am 5. Juni bei der Gesundheitsministerkonferenz an den Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) übergeben werden.

 

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