Krankenhäuser

Personalcheck: Die bittere Wahrheit

19.02.2013

Mit einer einzigartigen Aktion hat ver.di festgestellt, wie viele Beschäftigte in den bundesweit gut 2.000 Krankenhäusern fehlen. Ergebnis: 162.000. Am 19. Februar gingen Gewerkschaftsaktive durch mehr als 200 Kliniken. An einem einzigen Tag besuchten sie 3.896 Abteilungen und Bereiche mit zusammen 42.300 Vollzeitstellen. Gefragt waren die Beschäftigten als Experten ihrer eigenenSituation. Keine andere Befragung in Deutschland nimmt diese Perspektive ein. Und keine andere Organisation ist in der Lage, eine solche Erhebung in 200 Krankenhäusern zeitgleich durchzuführen.

 
Personalcheck 2013

Der Personalcheck im Detail

In den befragten Abteilungen und Bereichen der einbezogenen Krankenhäuser zeigte sich ein Fehlbedarf von 19,6% oder 8.300 Personalstellen quer über alle Beschäftigtengruppen. Hochgerechnet auf alle Krankenhäuser in Deutschland bedeutet das einen Bedarf von 162.000 zusätzlichen Stellen in den Krankenhäusern, davon rund 70.000 in der Pflege. So hoch bezifferten die Beschäftigten in Krankenhäusern den zusätzlichen Bedarf, um Patientinnen und Patienten gut und nach den fachlichen Standards der Berufsgruppen im Krankenhaus adäquat versorgen zu können und dabei auch gute Ausbildung zu leisten.

Einbezogen in die Befragung waren 200 Krankenhäuser einschließlich psychiatrischer Krankenhäuser bundesweit, das sind 10% aller Krankenhäuser. In diesen Krankenhäusern arbeiten rund 183.000 aller Krankenhausbeschäftigten (Vollkräfte), was (22,2% aller Krankenhausbeschäftigten) entspricht.

Konkret befragt wurden am Tag des Personalchecks in den einbezogenen Krankenhäusern bundesweit insgesamt 3.896 Abteilungen und Bereiche, in denen 42.300 Beschäftigte (Vollkräfte) arbeiten. Die Erhebung war breit gestreut über Krankenhäuser aller Größenordnungen von der kleinen Fachklinik über das Kreiskrankenhaus bis zur Universitätsklinik. Einbezogen waren öffentliche, kirchliche und private Krankenhäuser.

 
Personalcheck im Knappschaftskrankenhaus Sulzbach

Der Befragungsansatz

Es handelte sich um eine Befragungsaktionkeine wissenschaftlich Erhebung - bei der wir unter den Beschäftigten ermittelten, wie viel Personal nach ihrem professionellen Selbstverständnis und ihrer Alltagserfahrung in den Krankenhäusern zusätzlich benötigt wird, um unter dem Ziel „Wir wollen gute Arbeit machen“ Patient/innen gut versorgen zu können (patientennahe Bereiche) bzw. die eigenen Aufgaben im Krankenhaus gut erledigen zu können (alle anderen Bereiche). Die Befragung korrespondiert mit dem DGB-Index gute Arbeit, mit dem u.a. die Belastungssituation erfassbar ist. Anders als bei anderen Audits und Mitarbeiterbefragungen wurden nur drei Fragen gestellt. Der laufende Krankenhausbetrieb sollte so wenig wie möglich beeinträchtigt werden.

Die Beschäftigten wurden als Experten ihrer eigenen Situation befragt. Diese Perspektive ist einzigartig. ver.di gibt mit der Befragung den Patientinnen, Patienten, ihren Angehörigen und der interessierten Öffentlichkeit die Möglichkeit zu erfahren, wie sich die Personalsituation aus der Erfahrung und Sicht der Beschäftigten im Krankenhaus darstellt. Es gibt keine andere Befragung in Deutschland, die diese Perspektive einnimmt und es gibt keine andere Organisation der Krankenhausbeschäftigten, die organisatorisch in der Lage wäre, eine vergleichbare Befragung binnen weniger Stunden durchzuführen.

 
Personalcheck in Saarbrücken

Die Fragestellung lautete: „Wie viele Arbeitsplätze (Stellen/VK) brauchen Sie in Ihrem Arbeitsbereich zusätzlich, um Ihre Arbeit in der notwendigen Qualität machen zu können?“ Auszubildende wurden gefragt: Bist du heute schon gut ausgebildet worden?“ Die Beschäftigten wurden aufgefordert, ihre Antwort aufgrund ihrer täglichen Erfahrung und vor dem Hintergrund der fachlichen Standards ihrer Berufsgruppe zu machen.

Befragt wurden alle Berufsgruppen im Krankenhausneben der Pflege (38 % der Krankenhausbeschäftigten) die Funktionsdienste (OP, Anästhesie, Diagnostik; 12% der Krankenhausbeschäftigten), der ärztliche Dienst, der medizinisch-technische Dienst, Verwaltung, Technik und Servicedienste. Auch Auszubildende wurden gefragt, wieweit das mit der Ausbildung beauftragte Personal Zeit für gute Ausbildung hat.

Pflege und Ausildung besorgniserregend

Bei der Befragung zeigte sich, dass der Personalmangel in der Pflege am Bett am meisten drückt. Wer schon einmal als Patient/in oder Angehörige/r von Patienten im Krankenhaus erlebt hat, wie gehetzt das Personal arbeiten muss, kann leicht nachvollziehen, dass beispielsweise in einem Bereich mit fünf Stellen eine sechste Kraft fehlt. Zumal im Krankenhaus auch ausgebildet wird. Die mit der praktischen Ausbildung Beauftragten sind aufgrund knappen Personaldecke mit ihrer Arbeitstätigkeit so belastet, dass sie häufig nicht in der Lage sind, ausreichend Zeit für die Ausbildung aufzuwenden. Häufig werden Auszubildende wie vollausgebildete Pflegekräfte eingesetzt. Die in der Erhebung vom 19. Februar 2013 gefundenen 70.000 fehlenden Stellen allein in der Pflege überraschen nicht. In der Zeit des schärfsten Personalabbaus zwischen 1997 und 2007 wurden allein 50.000 Stellen in der Pflege abgebaut – und das bei steigenden Patientenzahlen.

 

Kontakt

  • Matthias Neis

    Be­reichs­lei­ter So­zia­le Diens­te, Bil­dung und Wis­sen­schaft

    030/6956-2006