Für den Krankenpfleger Benjamin Gampel sind die an den Unikliniken in Düsseldorf, Essen und Homburg erreichten Vereinbarungen zur Entlastung eine große Motivation. »Das hat gezeigt: Wenn wir genug Druck machen, bewegen sich die Arbeitgeber«, so der 31-Jährige, der auf der Herz-Thorax-Chirurgie des Augsburger Klinikums arbeitet. Er und seine Kolleg/innen haben sich nun ebenfalls auf den Weg gemacht, mehr Personal und Entlastung im Betrieb durchzusetzen. Bis Ende Oktober läuft die Urabstimmung über einen Erzwingungsstreik. Wenn sich mindestens 75 Prozent der ver.di-Mitglieder dafür aussprechen, kann der Ausstand am 30. Oktober beginnen.»Die Klinikleitung hat jetzt drei Wochen Zeit, substanzielle Verbesserungen auf den Weg zu bringen. Andernfalls gibt es einen Arbeitskampf inklusive Betten- und Stationsschließungen«, erklärt der ver.di-Vertrauensleutesprecher.
Dass die Augsburger Belegschaft bereit ist, sich für Entlastung zu engagieren, hat sie bereits im Herbst vergangenen Jahres gezeigt. Durch Arbeitsniederlegungen hatten die Beschäftigten dafür gesorgt, dass ein Großteil der Operationen abgesagt und ein Teil der Betten geschlossen werden musste. »Die Bereitschaft der Kolleginnen und Kollegen ist ungebrochen, da sollte sich der Arbeitgeber nichts vormachen«, warnt Benjamin Gampel.
Bislang versucht das Management allerdings, verbindliche Regelungen für mehr Personal und Entlastung zu vermeiden. Nach den Warnstreiks vom vergangenen Herbst hatten beide Seiten ein halbes Jahr lang in einer betrieblichen Kommission nach Lösungen gesucht. Doch trotz inhaltlicher Annäherung in einigen Punkten war der Arbeitgeber bis zuletzt nicht bereit, einen einklagbaren Vertrag zu unterschreiben. »Wir wollen eine verbindliche und rechtssichere Regelung, welche auf Dauer Bestand hat und auch nicht von einem Rechtsnachfolger kassiert werden kann«, sagt ver.di-Landesfachbereichsleiter Robert Hinke. Denn zum Jahreswechsel soll das Augsburger Klinikum zur Uniklinik werden und in die Trägerschaft des Freistaats Bayern übergehen. Verträge zur Entlastung machen aus Sicht der Gewerkschaft nur dann einen Sinn, wenn sie auch unter der neuen Konstellation gelten.
Die Dauer der Urabstimmung gebe der Klinikleitung »noch genügend Zeit, sich mit uns auf einen Tarifvertrag zu verständigen«, so Hinke. »Unser Ziel ist es, innerhalb eines tariflichen Verhandlungsprozesses an die guten Ergebnisse unserer Kolleginnen und Kollegen aus den Unikliniken Essen und Düsseldorf, dem Saarland und den Ergebnissen der betrieblichen Kommission anzuknüpfen und in den nächsten drei Wochen eine Lösung zu finden.«
Die Teamdelegierten der Stationen hätten die Einleitung der Urabstimmung intensiv diskutiert, hebt Benjamin Gampel hervor. »Wir wissen, dass in Nordrhein-Westfalen wochenlange Streiks nötig waren, um die Arbeitgeber zum Einlenken zu bewegen.« Die Beschäftigten in Augsburg seien dazu ebenfalls bereit – wenn sich die Klinikspitze vorher nicht bewege.
In die Gewerkschaft eingetreten ist der heutige Vertrauensleutesprecher während seiner ersten Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker. »Wer da nicht in der IG Metall war, wurde schräg angeschaut. Als ich im Krankenhaus angefangen habe, habe ich es leider ganz anders erlebt.« Doch mit den Streiks für Entlastung bewege sich etwas. »Angesichts der miserablen Bedingungen muss sich gerade die Pflege organisieren – und das tun wir jetzt.«
So viele Unterschriften hat es bei einem Zulassungsantrag für ein Volksbegehren in Bayern noch nie gegeben: 102.137 Menschen haben die Gesetzesinitiative des Bündnisses »Stoppt den Pflegenotstand an Bayerns Krankenhäusern« unterzeichnet – in nur zwei Monaten. Das Bündnis – dem neben ver.di unter anderem die bayerischen Landesverbände von SPD, Grünen und Linke angehören – will verbindliche Personalschlüssel in der Pflege und Verbesserungen beim Reinigungsdienst der Krankenhäuser durchsetzen. Die Leiterin des ver.di-Landesbezirks Bayern, Luise Klemens, erklärte bei der Übergabe der Unterschriften am 9. Oktober: »Ministerpräsident Söder hat unser Volksbegehren nicht unterschrieben, mit dem Argument, dass er es selber umsetzen will. Das erwarten wir jetzt von ihm.«
Das bayerische Innenministerium hat nun sechs Wochen Zeit, die Zulassung des Volksbegehrens zu prüfen. Bei einem positiven Votum müssen sich in der zweiten Stufe innerhalb von zwei Wochen rund 900.000 Wahlberechtigte in ihren jeweiligen Rathäusern eintragen, um dem Volksbegehren zum Erfolg zu verhelfen. Falls das Innenministerium die Initiative nicht zulässt, entscheidet der Bayerische Verfassungsgerichtshof binnen drei Monaten, ob diese Entscheidung bestand hat.
»Schon in der ersten Stufe ist das Volksbegehren auf eine enorme Resonanz gestoßen«, berichtete ver.di-Sekretär Stefan Jagel. »Die über 100.000 Unterschriften in so kurzer Zeit zeigen, wie wichtig den Menschen in diesem Land eine gute Krankenhausversorgung ist.« Unabhängig davon, welche Regierungskonstellation aus der Landtagswahl am 14. Oktober hervorgehe, müsse diese verbindliche Personalschlüssel in Bayerns Krankenhäusern einführen.
Im ver.di-Mitgliedernetz findet ihr alle Materialien zur Bewegung. In der Gruppe "Klinikpersonal entlasten" findet ihr die Handlungsleitfäden.