Zum Verordnungsentwurf über die Einführung von Pflegepersonaluntergrenzen, der von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vorgelegt wurde, äußert sich Grit Genster, Bereichsleiterin Gesundheitspolitik der Gewerkschaft ver.di am 24. August:
„Es ist gut, dass der Bundesgesundheitsminister jetzt handelt. Die Erarbeitung von Untergrenzen für die Personalausstattung den Selbstverwaltern – Krankenkassen und Arbeitgebern – zu überlassen, war ohnehin eine absurde Idee, damit wurde der Bock zum Gärtner gemacht. Der Verordnungsentwurf zeigt, dass nun endlich auch in der Politik angekommen ist: Markt und Wettbewerb richten es nicht, für eine gute Pflege und Versorgung sind klare Vorgaben notwendig.
Das, was Spahn aber nun vorgelegt hat, bleibt in Teilen aber sogar hinter dem zurück, was von DKG und Krankenkassen diskutiert worden war – und schon das reichte bei weitem nicht. Untergrenzen, wie sie jetzt geplant sind, entlasten die stark beanspruchten Pflegekräfte nicht und sorgen nicht für eine gute Versorgung.
Geplant sind Untergrenzen für die Personalausstattung in lediglich vier Bereichen der Krankenhäuser: Intensivmedizin, Geriatrie, Unfallchirurgie und Kardiologie. DKG und GKV hatten über sechs Bereiche diskutiert, und selbst das wäre noch zu wenig gewesen. Im Koalitionsvertrag hatten CDU/CSU und SPD Untergrenzen für alle bettenführenden Abteilungen angekündigt – ein überfälliger Schritt. Denn bei Vorgaben für einige wenige Bereiche sind Verschiebebahnhöfe vorprogrammiert und Schlupflöcher leicht gefunden: Durch Verlegungen von Patienten, Umbenennen bzw. Zusammenlegung von Stationen oder Verlagerung von Aufgaben können Vorgaben umgangen werden.
Während für Intensivstationen in der Tagschicht eine angemessene Personalausstattung verpflichtend sein soll (eine Pflegekraft für zwei Patient/innen), bleibt das Ministerium bei allen anderen Vorgaben weit hinter dem zurück, was für eine sichere Versorgung der Patient/innen notwendig wäre. Eine Pflegekraft für zehn bis 24 Patient/innen – das ist nicht mehr als die Zementierung und Legitimierung der miserablen Personalausstattung.
Auch die erlaubte Quote für Hilfskräfte ist zu hoch. Wenn hier untere Haltelinien gezogen werden sollen, dürfen sich die Pflegefachkraft-Patienten-Verhältniszahlen nur auf die Besetzung mit Pflegefachkräften beziehen, da sie Voraussetzung für eine hohe Patientensicherheit und Versorgungsqualität sind. Pflegehilfskräfte, Stationsassistenz und Leitungskräfte dürfen nicht eingerechnet, sondern nur zusätzlich eingesetzt werden.
Lediglich die allerschlimmsten Ausbrüche nach unten in einigen wenigen Bereichen werden durch die Einführung solcher Untergrenzen behoben – und das noch nicht einmal sicher, da für die Einhaltung ein monatlicher Durchschnittswert genügen soll. Was nützt es der Patientin, wenn das Krankenhaus im Schnitt die Vorgaben erfüllt, zum Zeitpunkt der eigenen Behandlung aber unterbesetzt ist? Personalvorgaben müssten unbedingt schichtbezogen sein, also täglich eingehalten werden.
Die Beschäftigten in den Krankenhäusern gehen jeden Tag an die Grenze ihrer Belastbarkeit und darüber hinaus. Sie erwarten mehr als Scheinlösungen. Und auch der gesetzliche Anspruch der Versicherten auf eine bedarfsgerechte Versorgung kann so nicht gewährleistet werden. Nötig sind Vorgaben für die Personalausstattung für alle Bereiche im Krankenhaus, die sich am Bedarf der Patientinnen und Patienten orientieren. Nur so können eine gute Versorgung sichergestellt und die Beschäftigten entlastet werden. Um zu einer schnellen Lösung zu kommen, fordert ver.di, die bereits bewährte Pflegepersonal-Regelung (PPR) unter Einbeziehung einer Expertenkommission weiterzuentwickeln.“
Bereichsleiterin Gesundheitswesen/Gesundheitspolitik
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