Beschäftigte des SRH-Klinikums Karlsbad-Langensteinbach erreichen Tarifvertrag, der ein Bündel von Maßnahmen für bessere Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen festschreibt.
Vereinbarungen für mehr Personal und Entlastung sind nicht nur in großen öffentlichen Krankenhäusern möglich. Auch private Träger können zum Abschluss solcher Verträge mit ver.di gezwungen werden – wenn der Druck groß genug ist. Nach der Belegschaft des privatisierten Uniklinikums Gießen und Marburg haben das nun auch die Beschäftigten des SRH-Klinikum Karlsbad-Langensteinbach in Baden-Württemberg bewiesen. Anfang Oktober ist hier ein Tarifvertrag mit Maßnahmen zur Entlastung in Kraft getreten, darunter erweiterte Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Personalplanung.
»Es ist schon bemerkenswert, dass wir auch einen privaten Arbeitgeber dazu bringen können, den Personaleinsatz nicht mehr einseitig zu bestimmen«, erklärt ver.di-Verhandlungsführer Sven Bergelin. Künftig muss die Geschäftsleitung des SRH-Klinikums die Zahl und Verteilung des eingesetzten Pflegepersonals jährlich mit dem Betriebsrat abstimmen. Dies gilt fortan als Sollbesetzung, bei deren Unterschreiten Kompensationsmaßnahmen greifen sollen – bis hin zu Patientenverlegungen und Bettenschließungen.
Nachts allein auf Station? Das soll es in Karlsbad-Langensteinbach jetzt nicht mehr geben. Um zu gewährleisten, dass immer zu zweit gearbeitet wird, werden zusätzliche Pflegekräfte oder Pflegehelfer/innen eingestellt. Zudem sollen Stationssekretär/innen die Pflegekräfte tagsüber von Verwaltungsaufgaben entlasten. Überlastungs- und Gefährdungsanzeigen sollen in einem verbindlichen Verfahren bearbeitet werden. Um mögliche Gegen- oder Kompensationsmaßnahmen bei Überlastung zu entwickeln, ist die Einrichtung einer paritätischen Kommission aus Geschäftsleitung und Betriebsrat vorgesehen.
Für besonders wichtig hält Bergelin die Verbesserungen im Bereich der Ausbildung. So sollen nicht nur die Zahl der Ausbildungsstellen von 100 auf 125 angehoben, sondern auch die Ausbildungsqualität verbessert werden. »Das ist genau die richtige Antwort auf den wachsenden Fachkräftebedarf«, betont der Gewerkschafter. »Statt über Fachkräftemangel zu jammern, sollten die Arbeitgeber mehr und attraktivere Ausbildungsplätze schaffen. Mit diesem Tarifvertrag haben wir wichtige Voraussetzungen dafür erreicht« Die Zahl der hauptamtlichen Praxisanleiter/innen soll von zwei auf zweieinhalb, die der ehrenamtlichen von zwei auf drei je Station erhöht werden. Vor- und Nachbereitung der strukturierten Anleitung werden als Arbeitszeit anerkannt und im Dienstplan berücksichtigt.
Das Klinikum garantiert allen angehenden Gesundheits- und Krankenpfleger/innen, Operationstechnischen Assistent/innen und Medizinischen Fachangestellten nach der Ausbildung die unbefristete Übernahme – in Vollzeit und ohne weitere Bedingungen. »Es ist gut, dass auch Berufsgruppen außerhalb der Pflege von dieser Übernahmeregelung profitieren«, so Bergelin. Leider habe sich der Arbeitgeber ansonsten dagegen gesperrt, Regelungen zur Entlastung des anderen Klinikpersonals zu vereinbaren. »Hier bleiben wir am Ball, denn nicht nur die Pflegekräfte leiden unter dem hohen Arbeitsdruck.«
Ob die vereinbarte Entlastung bei den Beschäftigten tatsächlich ankommt, müsse sich in den kommenden Monaten zeigen, erklärt Bergelin. Um das zu gewährleisten, sollen die Tarifregelungen bereits im kommenden Jahr evaluiert und gegebenenfalls angepasst werden. Für den Fall, dass die Maßnahmen nicht oder nur unzureichend umgesetzt werden, hat ver.di ein Sonderkündigungsrecht. »Dann können wir sofort wieder in Aktion treten und auch zu Streiks aufrufen«, stellt der ver.di-Verhandlungsführer klar. »Aber jetzt wollen wir erst einmal versuchen, den Tarifvertrag mit Leben zu füllen.« Dass dieser erreicht wurde, sei den vielen Aktivitäten zu verdanken, an denen sich Beschäftigte in den vergangenen Monaten beteiligten, darunter Info-Aktionen, aktive Pausen und Stationsbesuche. Die ver.di-Mitglieder im SRH-Klinikum haben das Ergebnis bei einer Versammlung mit großer Mehrheit akzeptiert.
Tarifpolitik
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