Reha-Konzern

Median: Tarifblockade durchbrochen

19.09.2018

Privater Reha-Konzern wollte eigentlich nie mehr Tarifverträge mit ver.di abschließen. Beschäftigte bei Median West haben mit Aktionen dennoch Lohnerhöhungen durchgesetzt.

Die Ansage war kompromisslos und brutal: Man werde keine Tarifverträge mit ver.di mehr abschließen, verkündete das Median-Management im Frühjahr 2016. Davon konnten auch Proteste Deutschlands größten privaten Reha-Konzern zunächst nicht abbringen. Doch bei der ehemaligen Allgemeinen Hospitalgesellschaft (AHG) – die 2016 von Median übernommen wurde und heute unter Median West firmiert – wollten sich die Beschäftigten damit nicht abfinden. Sie organisierten sich in gewerkschaftlichen Aktivengruppen und machten Ende 2017 mit einer Aufkleber-Aktion auf ihre Forderung nach Tarifbindung aufmerksam. Die Betriebsräte stellten sich geschlossen dahinter. Im August 2018 beteiligten sich hunderte Beschäftigte an über zehn Standorten an einem Aktionstag. Mit Erfolg: Eine Woche später unterzeichnete das Unternehmen einen Tarifvertrag, der den rund 2.500 Kolleginnen und Kollegen bis Ende 2019 Lohnerhöhungen von insgesamt 3,3 Prozent beschert.

 
Median Odenwald

»Ich war skeptisch, ob wir die Leute zum Protest mobilisieren können«, gibt Dagmar Heidtke zu. Die Betriebsratsvorsitzende der Median-Klinik Odenwald arbeitet seit zehn Jahren in der ver.di-Tarifkommission mit. Öffentliche Aktionen hatte es in all dieser Zeit nie gegeben. Bis jetzt. »Wir wussten bis zuletzt nicht, ob sich die Kollegen an der aktiven Mittagspause beteiligen würden. Doch dann kamen Dreiviertel der Anwesenden.« Die Aktion habe den Beschäftigten »richtig Spaß gemacht«, berichtet Heidtke. Und beim Arbeitgeber hat sie Eindruck hinterlassen. »Wir hätten gar nicht gedacht, dass wir so schnell ein Ergebnis erreichen würden«, sagt die Krankenpflegerin. Die Median-Spitze wollte offenbar keine weitere Unruhe, was auch damit zu tun haben könnte, dass der niederländische Finanzinvestor Waterland das Unternehmen laut Medienberichten demnächst verkaufen will.

»Wir haben einen solidarischen Tarifabschluss erreicht, der niemanden benachteiligt«, betont Sarah Bormann, die bei ver.di für Median zuständig ist. In den Verhandlungen hatten die Konzernvertreter lange eine Differenzierung nach Tätigkeiten und Regionen gefordert, wodurch die Beschäftigten unterer Entgeltgruppen oder einzelner Einrichtungen schlechter gestellt worden wären. »Wir haben klar gesagt: Das machen wir nicht mit. Die Kolleginnen und Kollegen haben sich nicht spalten lassen – das hat sich ausgezahlt«, so Bormann. Alle Beschäftigten erhalten nun rückwirkend zum 1. Juli 2018 zwei Prozent mehr Geld. Ab 1. Januar 2019 folgen weitere 1,3 Prozent sowie im Mai 2019 eine Einmalzahlung von 100 Euro. Zudem sollen die Verhandlungen über einen Entgelttarifvertrag und über verbindliche Regelungen zur Eingruppierung und Entwicklungsstufen im November diesen Jahres wieder aufgenommen werden.

»Die Lohnerhöhung ist also nur ein erster Schritt. Die Beschäftigten bei Median West brauchen ein komplettes Tarifwerk, das ihnen Sicherheit und angemessene Einkommen garantiert«, erklärt Bormann. »Auf dem jetzt erreichten Abschluss können wir aufbauen.« Davon ist auch Dagmar Heidtke von der Odenwald-Klinik überzeugt: »Wir haben gezeigt, dass wir auch in einem solchen Konzern etwas bewegen können. Das macht Mut, beim nächsten Mal erneut und noch entschlossener für unsere Interessen einzutreten.«

 

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