AMEOS

Ameos torpediert Zwischenergebnis

Konzern stellt bereits erzielte Einigung über Entgelterhöhungen und weitere Verhandlungen mit neuen Bedingungen infrage. Beschäftigte »maßlos verärgert« und konfliktbereit.
17.06.2020


Gerade schien es, als würden sich die Verhältnisse bei Ameos in Sachsen-Anhalt zum Guten wenden. Ende Mai hatte der Schweizer Konzern bei den Tarifverhandlungen für seine Kliniken in Bernburg, Aschersleben, Schönebeck und Haldensleben einem Zwischenergebnis zugestimmt, mit dem ein erster Schritt in Richtung Angleichung der Gehälter an das Niveau des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) getan und weitere konstruktive Verhandlungen ermöglicht werden sollten. Doch dann stellte Ameos-Regionalgeschäftsführer Frank-Ulrich Wiener plötzlich neue, unannehmbare Bedingungen.

Die ver.di-Tarifkommission sei darüber »maßlos verärgert«, berichtete der Verhandlungsführer der Gewerkschaft, Bernd Becker, am Dienstag (16. Juni 2020). Sie beschloss ebenso wie die Tarifkommission der Ärzteorganisation Marburger Bund (MB), die im Februar mit Verhandlungsbeginn erfolgte Aussetzung des Streiks vorsorglich aufzuheben. Anfang des Jahres hatten hunderte Beschäftigte zweieinhalb Wochen lang die Arbeit niederlegt, um Ameos an den Verhandlungstisch zu zwingen.

»Die Aussetzung der Streiks aufgrund der gut begonnenen Gespräche war auch ein Vertrauensvorschuss gegenüber dem Arbeitgeber«, erläuterten Becker und die MB-Vertreterin Andrea Huth. »Dieses Vertrauen ist mit den jetzt formulierten Bedingungen vorerst beschädigt.« Bei den Beschäftigten hinterlässt Ameos mit der neuerlichen Kehrtwende ein weiteres Mal verbrannte Erde. Mitte Dezember hatte der Klinikbetreiber mehr als ein Dutzend Beschäftigte unter fadenscheinigen Vorwänden gekündigt. Doch die Belegschaften ließen sich nicht einschüchtern und wurden darin von etlichen Beschäftigten anderer Kliniken, von internationalen Gewerkschaftsverbänden und Politiker*innen solidarisch unterstützt.

 
Beschäftigte von Ameos protestieren mit einer "aktiven Mittagspause" gegen das Vorgehen des Konzerns.

»Die Kolleginnen und Kollegen haben sich in der Pandemie-Situation sehr verantwortungsbewusst gezeigt und alles dafür getan, eine gute Gesundheitsversorgung in der Region zu gewährleisten«, betonte Becker. »Und als Dank torpediert Ameos auf den letzten Metern eine bereits erzielte Einigung. Unfassbar!« Am 11. Juni habe der Konzern die Umsetzung des Zwischenergebnisses plötzlich an die Bedingung geknüpft, dass mindestens 95 Prozent der Beschäftigten den statischen Tarifvertrag von 2012 schriftlich anerkennen. Hintergrund sind nach der Übernahme der einst kommunalen Salzlandkliniken 2012 erfolgte Einkommenskürzungen. Diese sollten ursprünglich fünf Jahre gelten, betriebsbedingte Kündigungen sollten in dieser Zeit ausgeschlossen sein. Der Kündigungsschutz endete 2017, doch die Gehaltseinbußen blieben bestehen. Hunderte Beschäftigte reichten Klage auf Nachzahlung der vorenthaltenen Entgelte ein, was im Einzelfall mehrere tausend Euro ausmacht.

»Ameos hat sich 2012 entschieden, diesen Weg zu gehen. Man kann von uns nicht ernsthaft verlangen, dass wir den Kolleginnen und Kollegen in den Rücken fallen«, sagte Becker. »Das wäre so, als wenn ich meinem Kollegen zehn Euro anbiete, er diese aber nur bekommt, wenn ein weiterer Kollege mögliche 20 Euro abgibt.« Ein solches »Tarifdiktat« werde ver.di keinesfalls unterzeichnen. Stattdessen werde die Gewerkschaft dem Arbeitgeber einen Vereinbarungsentwurf mit den bereits geeinten Entgelterhöhungen übermitteln. »Wenn Ameos nicht unterschreibt, stehen die Zeichen erneut auf Konflikt. Damit richtet das Unternehmen nicht nur sein eigenes Ansehen weiter zugrunde, es schadet auch der Gesundheitsversorgung im Salzlandkreis.« Um das zu unterstreichen, beteiligten sich Beschäftigte in Staßfurt und Schönebeck am Freitag bzw. Montag bereits an ersten Protestaktionen zur Mittagszeit. »Während alle Welt die Arbeit der Krankenhausbeschäftigten beklatscht, geht es diesem Konzern offenbar nur darum, höchstmögliche Profite zu generieren«, kritisierte Becker. »Solche Praktiken haben im Gesundheitswesen nichts verloren.«

 

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