Soziale Arbeit

Arbeitsbedingungen verschlechtert

Profis am Limit: Studie und Konferenz verdeutlichen Arbeitsbelastung von Beschäftigten in der Sozialen Arbeit
17.03.2021

 

Pressemitteilung, Berlin, 16.03.2021. Beschäftigte in der Sozialen Arbeit sind durch die Corona-Krise noch deutlich mehr belastet als sie es ohnehin schon vor der Pandemie waren. Das hat eine Studie der Hochschule Fulda in Zusammenarbeit mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ergeben. Befragt wurden hierzu mehr als 3.000 Beschäftige in sozialen Berufen wie beispielsweise Erzieherinnen und Erzieher, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Beschäftigte in der Altenpflege, in der Jugendarbeit, in Betreuungseinrichtungen und zahlreichen anderen Arbeitsfeldern.

Ein Ergebnis der online-Befragung, die Ende 2020 durchgeführt wurde, ist, dass sich 62,1 Prozent der befragten Beschäftigten belastet oder sogar extrem belastet fühlen. Insofern verschlechtern sich aus Sicht jedes Zweiten von ihnen die Arbeitsbedingungen und im Ergebnis denken
29,9 Prozent über einen Stellenwechsel sowie 16,2 Prozent über einen Berufswechsel nach.

Als Gründe für die verschlechterten Arbeitsbedingungen wird unter anderem genannt, dass Schutzmaßnahmen nicht ausreichend vorhanden sind, dass die Probleme der zu betreuenden Menschen zunehmen und ihre Armutsrisiken steigen, dass die Arbeitsverdichtung zunimmt, unter anderem weil Beschäftigte selbst oder Angehörige zu Risikogruppen gehören oder erkrankt sind.

Deutlich wird, dass dringend Handlungsbedarf notwendig ist. Darüber diskutieren am heutigen (16. März 2021) Internationalen Tag der Sozialen Arbeit Beschäftigte mit dem Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales Björn Böhning, der stellvertretenden ver.di-Vorsitzenden Christine Behle sowie den Autoren der Studie Prof. Dr. Nikolaus Meyer (Hochschule Fulda) und der Gewerkschafterin Elke Alsago (ver.di) in einer digitalen Konferenz.

 

Einen Einblick in die Themen vermitteln die folgenden Statements.

Christine Behle (stellvertretende ver.di-Vorsitzende): "Die Berichte vieler unserer Mitglieder über die Arbeitsbedingungen während der Pandemie, die wir jetzt auch noch durch eine Studie belegt bekommen, sind dramatisch. Die Beschäftigten in der Sozialen Arbeit, in den Kitas, Frauenhäusern, in Einrichtungen für Behinderte und allen anderen Arbeitsfeldern, werden sich weitgehend allein überlassen. Sie sind verpflichtet, die Einrichtungen offenzuhalten und die von ihnen zu betreuenden Menschen irgendwie zu erreichen, häufig, ohne geschützt zu werden. Wenn man bedenkt, wie wir uns engagieren mussten, um wenigstens den Beschäftigten in Kitas eine frühe Impfung zu ermöglichen und jetzt dabei sind, Covid 19 als Berufserkrankung für diese Berufe anerkennen zu lassen, wird deutlich, dass die sozialen (Frauen-)berufe nach wie vor nicht genügend wertgeschätzt werden. Es bleibt für uns alle gemeinsam viel zu tun, um diese Situation zu ändern."

Björn Böhning (Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales): "Die Beschäftigten in der Sozialen Arbeit leisten jeden Tag praktische Hilfe. Sie unterstützen Menschen - und halten so unsere Gesellschaft zusammen. Ich weiß, dass ihre Arbeit wegen der Pandemie gerade besonders schwierig ist. Wir müssen gemeinsam Rahmenbedingungen für die Praxis finden, die zugleich den Schutz und die Bedürfnisse der Menschen im Blick haben. Dem Arbeitsschutz kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu. Deshalb haben wir als BMAS die Corona-Arbeitsschutzverordnung erlassen, die für sicheres Arbeiten auch in der Pandemie sorgt. Darüber hinaus sind anständige Löhne, faire Arbeitsbedingungen und starke Betriebsräte von entscheidender Bedeutung."

Prof. Dr. Nikolaus Meyer (Hochschule Fulda): "Die zweite Untersuchung der Arbeitsbedingungen während der Corona-Pandemie lässt einen sprachlos zurück: Die Soziale Arbeit geht weitgehend ungesteuert in den zweiten Lockdown und gleichzeitig bleiben die Einrichtungen mehrheitlich geöffnet. Die Beschäftigten in der Sozialen Arbeit werden in der Pandemie zerrieben zwischen Vorgaben von außen, die weitgehend nicht den beruflichen Standards entsprechen und den hohen professionellen Ansprüchen an die Qualität der eigenen Arbeit. Diese Diskrepanz gleichen die Beschäftigten nur durch hohen persönlichen Einsatz aus, um die Adressatinnen und Adressaten individuell angemessen begleiten zu können. Diese ungeheure Belastung kann man nicht lange aushalten. Wir müssen anerkennen, dass Soziale Arbeit und die Beschäftigten in ihr für unsere Gesellschaft extrem wichtig sind. Diese Berufsgruppe organisiert Prävention, Erziehung und Bildung ebenso wie Hilfe und Unterstützung in den verschiedensten problembelasteten Lebenslagen.
Das ist für die Aufarbeitung der durch die Corona-Pandemie entstehenden sozialen Probleme ungeheuer wichtig."

Dr. Elke Alsago (ver.di): "Die Arbeitsbedingungen in der Sozialen Arbeit waren vor der Pandemie schon eher prekär und die Untersuchung zeigt: Sie sind aktuell noch schlechter. Es geht den Beschäftigten in der Sozialen Arbeit nicht gut. 15 Prozent können keine persönliche Schutzausrüstung während der Arbeit tragen, Leitungskräfte verweigern Angehörigen der Risikogruppe Schutzmaßnahmen und am Ende kümmern sich Teams selber um die Einhaltung von Schutzmaßnahmen - das ist skandalös. Die Ergebnisse zeigen damit dreierlei: 1. Die Kooperation zwischen ver.di und Hochschule Fulda war für die Beschäftigten in der Sozialen Arbeit ungeheuer wichtig, weil sonst die sich verschlechternden Arbeitsbedingungen nicht öffentlich geworden wären. 2. Diese schlechten Arbeitsbedingungen wurden durch die Kooperation von Wissenschaft und Vertretung der Beschäftigten deutlich, was zeigt, dass die Finanzmittel zur Erforschung der Arbeitsbedingungen in den verschiedenen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit noch immer nicht ausreichend ausgebaut sind. Hier muss die Bundesregierung nachlegen.
3. Wenn wir als Gesellschaft nicht wollen, dass die aktuell schlechten Arbeitsbedingungen sich auf die Adressatinnen und Adressaten auswirken, dann müssen sich die Arbeitsbedingungen bald ändern."

 

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