Servicegesellschaften

Zurück in die Klinik

15.03.2019

Beschäftigte ausgegliederter Tochtergesellschaften kämpfen für die Rückführung in die öffentlichen Krankenhäuser Berlins. Das Abgeordnetenhaus haben sie bereits überzeugt.

 

Die Kinderphysiotherapeutin Marzena Manske arbeitet schon seit 15 Jahren in der Kinderklinik der Charité am Campus Virchow. Doch nie gehörte sie richtig dazu. Denn sie hat keinen Arbeitsvertrag mit dem Berliner Uniklinikum, sondern mit dessen Tochterfirma CPPZ – zu deutlich schlechteren Konditionen als die Stammbeschäftigten. Manske und ihre Kolleg*innen wollen das ändern. Immer wieder streiken sie für die Übernahme des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD). Und sie demonstrieren dafür, dass die CPPZ und andere Tochtergesellschaften wieder in die Charité integriert werden. »Denn wir Therapeuten gehören genau wie Ärzte und Pflegekräfte zum Kern der Versorgung im Krankenhaus«, betont Manske. »Ohne uns bewegt sich nichts.«

Das Berliner Abgeordnetenhaus haben sie damit bereits überzeugt. Per Nachtragshaushalt erteilte das Landesparlament Mitte Dezember dem Senat die Auflage, Charité und Vivantes zur Wiedereingliederung von Tochtergesellschaften wie der CPPZ zu verpflichten und hierfür bis Ende März ein Konzept vorzulegen. Doch geschehen ist seither nichts. Die Klinikmanager verweigern weiterhin die Angleichung an den TVöD. Und auf die Aufforderung von ver.di, über die Rückführung der Tochtergesellschaften zu verhandeln, sind sie bisher auch nicht eingegangen. Die Beschäftigten der CPPZ haben deshalb im Februar erneut die Arbeit niedergelegt. Insgesamt haben sie damit bereits 27 Tage gestreikt. Am 15. Februar schlossen sich die Vivantes-Therapeut*innen mit einem Solidaritätsstreik an.

Berlin könnte Vorbild werden

»Es ist ein Erfolg, dass die Politik auf die Missstände aufmerksam geworden ist«, meint Manske, die sich in der ver.di-Tarifkommission engagiert. »An die Wiedereingliederung glaube ich aber erst, wenn wir das schwarz auf weiß mit Unterschrift der Charité haben. Bis dahin machen wir weiter Druck.« Die Kinderphysiotherapeutin empört auch nach all den Jahren noch, dass öffentliche Krankenhäuser Beschäftigte aus Therapie, Service und anderen Bereichen ausgliedern, um die Löhne zu senken. »Das ist eine Ungerechtigkeit, die ich seit 15 Jahren jeden Tag spüre«, sagt die 53-Jährige. Nach ver.di-Berechnungen verdienen die CPPZ-Beschäftigten jeden Monat 600 bis 800 Euro weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen, die direkt bei der Charité angestellt sind. 

 

»Ich stehe am selben Bett wie meine Kollegen, aber werde so viel schlechter behandelt. Da fühlt man sich als Mensch zweiter Klasse.«

Kinderphysiotherapeutin Marzena Manske

Zusätzlich müssen sie eine Stunde pro Woche länger arbeiten und haben vier Urlaubstage im Jahr weniger. »Ich stehe am selben Bett wie meine Kollegen, aber werde so viel schlechter behandelt. Da fühlt man sich als Mensch zweiter Klasse«, kritisiert Manske. ver.di-Verhandlungsführer Kalle Kunkel sieht die Auseinandersetzung um die 120 Therapeut*innen, die in der CPPZ zu schlechteren Bedingungen arbeiten, als »Lackmustest für die soziale Glaubwürdigkeit der rot-rot-grünen Koalition in Berlin«. Wenn SPD, Grüne und Linkspartei mit ihren Versprechungen ernst machen und tatsächlich dafür sorgen, dass die Tochterunternehmen der öffentlichen Kliniken in der Hauptstadt wieder eingegliedert werden, hätte dies bundesweit Vorbildcharakter, meint der Gewerkschafter. »Das Lohndumping durch Outsourcing muss überall ein Ende haben. In Berlin besteht jetzt die Chance zu zeigen, dass es auch anders geht.«

 


 

                                         

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ver.di begrüßt Senatskonzept zur Rückführung der Therapeuten bei Charité und Vivantes – Streiks und Proteste führen zu Erfolg

Pressemitteilung, Berlin, 4. April 2019. „Wir begrüßen, dass der Senat dem Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses gefolgt ist und nun dafür sorgt, dass u.a. konkrete Schritte zur Abschaffung sachgrundloser Befristungen in den beiden kommunalen Krankenhausunternehmen, zur Tarifbindung der Tochterunternehmen bei Vivantes, vor allem aber zur Rückführung der derzeit in den Tochtergesellschaften CPPZ und VTD beschäftigten Therapeut*innen eingeleitet werden“, so Meike Jäger, Landesbezirksfachbereichsleiterin Gesundheit und Soziales bei ver.di Berlin-Brandenburg.

Seit Mitte 2018 haben die TherapeutInnen der Charité-Tochter CPPZ im Wege von Tarifverhandlungen versucht, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten an das Niveau des TVöD heranzuführen. Die Geschäftsführung zeigte sich wenig verhandlungsbereit, weshalb die letzten Monate von mehreren Streikwellen mit an die 50 Streiktagen geprägt waren. Auch die Beschäftigten der Vivantes-Tochter VTD haben immer wieder auf ihre prekäre Situation mit sicht- und hörbaren Aktionen aufmerksam gemacht und zuletzt im Rahmen von drei Solidaritätsstreiktagen ihre KollegInnen bei der CPPZ unterstützt.
„Der Arbeitskampf und stetige Protest hat Wirkung gezeigt. Die KollegInnen von CPPZ und VTD können stolz darauf sein, was sie jetzt erreicht haben“, so Meike Jäger. Die Rückführung in die Mutterunternehmen stellt einen logisch notwendigen Schritt dar, denn die Beschäftigten sind schon heute vollständig in die betrieblichen Arbeitsabläufe der Mutterunternehmen eingebunden und vorhandenen Weisungsstrukturen unterworfen.

Während bezogen auf die Charité das Datum 1.1.2020 für die Rückführung vom Senat genannt wurde, gibt es bezogen auf die VTD noch keinen konkreten Termin. Die Gewerkschaft ver.di erwartet jedoch, dass die Schritte in Charité und Vivantes parallel umgesetzt werden. Zumindest auch für die Vivantes Therapeutische Dienste müssen noch in diesem Jahr die Weichen für eine Auflösung der Tochtergesellschaft gestellt und die Überführung der Beschäftigten ins Mutterunternehmen ebenfalls bis spätestens 1.1.2020 umgesetzt werden.

„ver.di steht auch bereit für die Aufnahme von Tarifverhandlungen für die mehr als 10 noch verbleibenden Tochterunternehmen von Vivantes – Netzwerk für Gesundheit ohne Tarifbindung. Um die Verhandlungen zu bündeln und gemeinsam führen zu können, erwarten wir umgehend den Beitritt der Töchter in den Kommunalen Arbeitgeberverband“, fordert Meike Jäger. Aus Sicht von ver.di braucht es eine erfahrene Verhandlungsführung und eine gute Prozessbegleitung, um die Vielfalt der Regelungen und unterschiedlichsten Bedingungen in einen gemeinsamen tragfähigen Rahmen zu überführen. „Der TVöD ist unser Leittarif, dessen Struktur und Niveau wir auch bei den Tochterunternehmen weiterhin als Ziel erreichen wollen. Die Tarifverhandlungen sollten zügig aufgenommen werden“, schließt Meike Jäger.

 

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