Altenpflege

Streik bringt Angleichung

29.03.2021

Viele Jahre hatte die Tochtergesellschaft der Caritas-Stiftung Liebenau ihre Beschäftigten deutlich schlechter bezahlt als andere Einrichtungen der Caritas in Baden-Württemberg oder des öffentlichen Dienstes. »Seit über einem Jahrzehnt manövriert sich die LiLA durch das kirchliche und weltliche Arbeitsrecht, ohne jeden Beschäftigten die Vorteile von Tarifwerken zukommen zu lassen«, sagt die Gewerkschaftssekretärin Yvonne Baumann. Und das schien sich fortzusetzen, als der Pflegeheimbetreiber im November die seit über einem Jahr laufenden Tarifverhandlungen mit ver.di abbrach und erklärte, nun doch die kirchliche Grundordnung und damit die Arbeitsvertragsrichtlinien der Caritas (AVR) in Baden-Württemberg zu übernehmen, die in weiten Teilen den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) abbilden.

»Diese plötzliche Kehrtwende hat uns sehr skeptisch gemacht«, so die ver.di-Verhandlungsführerin. Seither hat die Unternehmensleitung allerdings durch diverse Maßnahmen gezeigt, dass die Übernahme der AVR tatsächlich vollzogen wird. »Das ist eine gute Nachricht und ein großer Erfolg für die Beschäftigten, die mit vielen Aktionen und auch Streiks dafür gesorgt haben, dass in der Stiftung Liebenau nun endlich gleicher Lohn für gleiche Arbeit gezahlt werden soll.« Vollends Realität ist das allerdings noch nicht. Denn anders als Tarifverträge haben kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien keine unmittelbar normative Wirkung. Das heißt: Die Arbeitsverträge müssen einzeln angepasst werden. »Wir werden unsere Mitglieder in diesem Prozess unterstützen, damit bei der Überleitung nichts falsch läuft und die Kolleg*innen richtig eingruppiert werden«, erklärt Baumann.

»Nach zwei Jahren Einsatz, Überzeugungsarbeit und Auseinandersetzungen bis hin zum Arbeitskampf ist endlich das Ziel erreicht: gleicher Lohn für gleiche Arbeit in der Stiftung Liebenau«, bilanziert die Betriebsrätin Silke Arnold. »Der Einsatz hat sich wirklich gelohnt.« Neben dem erhöhten Tabellenentgelt gibt es auch Verbesserungen bei Entwicklungsstufen, Sonderzahlungen und Arbeitszeiten. Auch die betriebliche Zusatzversorgung für die Rente wird aus den AVR übernommen, wenn auch erst ab 2025 vollständig.

»Damit wird die Ungleichbehandlung endlich beendet, dennoch ist dies aus unserer Sicht nur das zweitbeste Ergebnis«, erklärt Baumann. Denn eigentlich war man angetreten, in den 21 katholischen Pflegeeinrichtungen einen Haustarifvertrag durchzusetzen. Dafür hatten sich viele der rund 870 Beschäftigten ver.di angeschlossen. »Bei Tarifverhandlungen entscheiden die ver.di-Mitglieder und die Tarifkommission alles demokratisch, von den Forderungen bis zur Annahme des Ergebnisses«, betont die ver.di-Sekretärin. »Diese Möglichkeiten haben sie auf dem kircheninternen Dritten Weg nicht.« Dennoch zeige die Auseinandersetzung, dass sich solidarisches Handeln und gewerkschaftliche Organisation auch in katholischen Einrichtungen auszahlen. Und auch über dieses, nicht vollends befriedigende Ergebnis wurde demokratisch entschieden: Bei einer Befragung votierten die ver.di-Mitglieder mit deutlicher Mehrheit für dessen Annahme.

 

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