Gleiche Arbeit, gleiches Geld

Beschäftigte der evangelischen Kitas in Erfurt organisieren sich
18.11.2021


Als Thomas Müller 2017 seine Erzieherausbildung in einer evangelischen Kindertagesstätte in Erfurt begann, merkte er schnell, dass etwas nicht passt. »Bei Gesprächen in der Berufsschule fiel auf, dass wir in den kirchlichen Kitas weniger verdienen als andere in städtischen Einrichtungen«, erinnert er sich. »Gerade bei älteren Beschäftigten macht das viel aus – bis zu 500 Euro im Monat!« Als er auch noch mitbekam, dass die Stadt eine Bezahlung nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vollständig refinanziert, war für Müller und seine Kolleg*innen schnell klar: Das lassen sie sich nicht gefallen.

Sie schrieben Briefe an ihren Arbeitgeber, in denen sie die ungleiche Bezahlung kritisierten. Doch eine Antwort erhielten sie nie. »Wir haben diskutiert, wie wir uns Gehör verschaffen können. Schließlich sind wir bei ver.di eingetreten«, berichtet Müller. Und das taten nicht nur einzelne, sondern 78 der insgesamt 137 Beschäftigten in den 13 evangelischen Kitas in Erfurt. »Es darf nicht sein, dass in der kirchlichen Einrichtung für die gleiche Arbeit viel weniger bezahlt wird als in der städtischen Kita die Straße runter«, betont der Erzieher.

Das findet auch Jenny Anthony, die in einer anderen evangelischen Kita arbeitet und in der ver.di-Tarifkommission aktiv ist. »Die schlechtere Bezahlung ist nicht nur ungerecht. Sie führt auch dazu, dass wir Stellen ganz schlecht nachbesetzen können«, erklärt sie. »Ist doch klar, dass die Leute lieber in eine städtische Einrichtung gehen, wo sie mehr verdienen. Dadurch wird die Arbeit bei uns noch anstrengender.« Vor dem
Hintergrund dieser Erfahrung sei die gewerkschaftliche Organisierung ganz schnell gegangen. »Ich habe mich nur gefragt, warum wir das nicht schon früher gemacht haben.«

Ende Mai wählten die frisch organisierten Gewerkschafter*innen eine Tarifkommission. Sie setzte den Arbeitgebern eine Frist bis zum 28. Juni, Tarifverhandlungen mit ver.di aufzunehmen. Diese reagierten erst am letzten Tag – aber nicht mit der Aufnahme von Tarifverhandlungen, sondern mit der Information, die Arbeitsrechtliche Kommission (ARK) der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und der Evangelischen Kirche Anhalts, zu der die Kitas in der Thüringer Landeshauptstadt gehören, habe neue Regelungen für den Sozial- und Erziehungsdienst beschlossen. Demnach soll der TVöD ab Anfang 2022 für die rund 3.000 Beschäftigten in diesem Bereich bis auf einen rentenspezifischen Abschlag vollständig zur Anwendung kommen. Allerdings nicht per Tarifvertrag, sondern auf dem kircheninternen »Dritten Weg«.

Es dauerte indes noch über zwei Monate, bis der Beschluss Anfang September im Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) veröffentlicht und damit rechtskräftig wurde. »Wochenlang hatten die Beschäftigten keine verlässlichen Informationen. Schon diese Intransparenz zeigt, dass Tarifverträge deutlich besser sind als Regelungen auf dem sogenannten Dritten Weg«, sagt der ver.di-Sekretär Hannes Gottschalk. Bei Tarifverhandlungen würden die Beschäftigten regelmäßig zeitnah über den Verlauf der Verhandlungen informiert und könnten als ver.di-Mitglieder über die gewählte Tarifkommission selbst Einfluss nehmen.

»Bei der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland findet die Lohnfindung hingegen weiter hinter verschlossenen Türen statt«, kritisiert Gottschalk. »Dass auf diesem Weg nun allerdings die Entgelttabellen des TVöD für den Sozial- und Erziehungsdienst zur Anwendung kommen, ist eine deutliche materielle Verbesserung. « Davon profitieren nicht nur die Kita-Angestellten in der thüringischen Landeshauptstadt, sondern alle Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst der EKM. »Weil sich 78 Kolleginnen und Kollegen in ver.di organisiert haben, verbessern sich die Bedingungen für rund 3.000 Beschäftigte«, stellt der Gewerkschafter fest. »Was schaffen wir dann erst, wenn sich noch mehr zusammentun?«

 

Dieser Artikel ist im Kirchen.info Nr. 38 erschienen.

 

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