Klinikpersonal entlasten

Saarlands Klinikbeschäftigte sind sauer

Vor der Landtagswahl hatte die saarländische Landesregierung versprochen, im Krankenhausplan verbindliche Personalvorgaben zu machen. Macht sie jetzt einen Rückzieher?
24.11.2017
Station 12 in Völklingen ist streikbereit! Gemeinsam sind wir stark! Station 12 in Völklingen ist streikbereit!

»Impulsgeberin« wolle das Saarland in Sachen besserer Personalausstattung in den Krankenhäusern sein. So hatte es Gesundheitsministerin Monika Bachmann bei der großen Krankenhausdemonstration am 8. März 2017 angekündigt. Sie wolle konkrete Vorgaben zur Besetzung des pflegerischen und ärztlichen Personals in den nächsten Landeskrankenhausplan schreiben, versprach die CDU-Politikerin wenige Tage vor der Landtagswahl. Doch jetzt steht sie offenbar vor einer Rolle Rückwärts. Ein von der Landesregierung in Auftrag gegebenes Gutachten enthält explizit keine Empfehlung zur Einführung schichtbezogener Personalvorgaben. Die Beschäftigten sind empört und fordern von der Regierung, dem Gutachten nicht zu folgen.

In dem am 22. November 2017 veröffentlichten Gutachten der Beratungsgesellschaft »aktiva« wird der Landesregierung empfohlen, die Ergebnisse der bundesweiten Verhandlungen über Personaluntergrenzen in sogenannten pflegesensitiven Bereichen abzuwarten und selbst keine verbindlichen Vorgaben zu machen. Begründet wird dies unter anderem damit, dass es in Deutschland bislang »keine relevanten Studien (gibt), die Aussagen zum Zusammenhang zwischen Personalausstattung und Ergebnisqualität  im Krankenhaus zulassen«. Die vielen internationalen Untersuchungen – die den Zusammenhang eindeutig belegen – könnten »nicht unkritisch übertragen werden«. Besonders dreist: Den Pflegekräften wird die Fähigkeit abgesprochen, über die Folgen des Personalmangels zu urteilen: »Insbesondere eine Selbsteinschätzung Pflegender ist (…) grundsätzlich ungeeignet, eine Aussage über einen Zusammenhang von Pflegekapazität und Ergebnisqualität zu treffen.«

Für ver.di-Sekretär Michael Quetting ist das »ein Schlag ins Gesicht für alle Pflegekräfte«. Selbstverständlich könnten diese am besten beurteilen, welche Leistungen angesichts der Überlastung auf der Strecke bleiben – und welche Folgen das für Patientinnen und Patienten hat. »Man braucht keine wissenschaftliche Ausbildung, um zu erkennen, dass eine Pflegefachkraft auf bis zu 40 Patienten im Nachtdienst lebensgefährlich ist«, betont Quetting und ergänzt: »Wenn aktuell auf vielen Stationen mit weniger Personal gearbeitet wird, als der Personalstärke bei unserem letzten Streik, zeigt das auf eindrucksvolle und schockierende Weise den Ernst der Lage.«

 
ver.di spricht mit der Ministerpräsidentin

Während sich die Gutachter nicht dazu in der Lage sehen, Regelungen für eine personelle Mindestausstattung zu entwerfen, machen sie dennoch Vorschläge zur Ausweitung der Leistungen. So sollen 300 zusätzliche Betten eingerichtet werden. Die Zahl der Fälle werde um voraussichtlich 2,7 Prozent steigen. »Wenn nicht zugleich mehr Personal in die Häuser kommt, bedeutet das: die Belastung soll noch weiter steigen«, bringt Quetting es auf den Punkt. Das würden sich ver.di und die Beschäftigten nicht gefallen lassen. Schon jetzt seien die saarländischen Kliniken mit 85 Prozent deutlich stärker ausgelastet als der Bundesdurchschnitt. Zudem seien die Liegezeiten kürzer, was den Druck auf die Pflegekräfte ebenfalls erhöht.

Vor diesem Hintergrund fordert ver.di die Landesregierung auf, dem Gutachten nicht zu folgen. Selbstverständlich könne das Land eigenständig Qualitätsvorgaben für die Krankenhäuser beschließen. »Und der entscheidende Indikator für Qualität ist nun einmal die Personalbesetzung. Das wird selbst von den Gutachtern im Grundsatz nicht bestritten.« Die Teamdelegierten aus Saarlands Krankenhäusern haben sich intensiv damit beschäftigt, wie eine Personalbemessung konkret funktionieren könnte. So könnten die Betriebsparteien Mindestbesetzungen auf den Normalstationen festlegen, die nicht unterschritten werden dürfen. Komme es zwischen Geschäftsleitung und Interessenvertretung nicht zu einer Einigung, gilt die Regel: Auf fünf Patient/innen kommt eine Pflegekraft. Auszubildende, Praktikant/innen und Servicekräfte dürften dabei nicht angerechnet werden.

Klare Vorstellungen haben die Vertreter/innen der Teams auch für andere Bereiche: So soll auf Intensivstationen mindestens eine examinierte Pflegekraft für zwei Patient/innen zur Verfügung stehen, in OPs ebenfalls mindestens zwei Pflegekräfte und eine Anästhesiepfleger/in. Alleinarbeit müsse verhindert und ein bezahlter »Ausschlaftag« nach drei aufeinanderfolgenden Nachtschichten oder einem Bereitschaftstag eingeführt werden. Beschäftigte dürften nur ausnahmsweise und freiwillig außerhalb des Dienstplans zur Arbeit gerufen werden – wofür zudem ein »Strafzoll« von 100 Prozent fällig wird. Arbeitsunterbrechungen, bei denen Beschäftigte ihren Arbeitsplatz nicht verlassen können, seien keine Pausen und müssten bezahlt werden. Das sogenannte Stationshopping von Auszubildenden soll unterbunden, eine verbindliche Reaktion des Arbeitgebers auf Überlastungsanzeigen festgeschrieben werden.

»Im Wahlkampf haben die Regierungsparteien viele Versprechungen gemacht«, sagt Quetting. »So wurden 1.000 neue Pflegestellen versprochen. Wo sind die jetzt?« Die Pflegekräfte werden einen Wortbruch nicht akzeptieren, ist der Gewerkschafter überzeugt.

 

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Kontakt

  • Frank Hutmacher

    Lan­des­fach­be­reichs­lei­ter Rhein­lan­d-Pfalz-Saar­land

    06131 / 97 26-130

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