Klinikpersonal entlasten

Zeitspiel und Verhandlungen

06.12.2017

Manche Klinikleitungen haben offenbar immer noch nicht verstanden, was in den Krankenhäusern los ist. Statt mit ver.di ernsthaft nach Wegen zur Entlastung des Personals zu suchen, spielen sie auf Zeit oder versuchen, Streiks mit juristischen Tricksereien zu verhindern. Anderswo wird hingegen ernsthaft darüber verhandelt, wie Entlastung und mehr Personal erreicht werden können.

Eigentlich sollte am Mittwoch (6. Dezember 2017) an den Helios Amper Kliniken in Dachau und Indersdorf ein dreitägiger Streik beginnen. 97 Prozent der ver.di-Mitglieder hatten sich in einer Urabstimmung für den Erzwingungsstreik ausgesprochen, um Einkommensverbesserungen, vor allem aber Entlastung zu erreichen. Das Helios-Management hat das zunächst verhindert. Vor dem Münchner Arbeitsgericht erwirkte es eine einstweiligen Verfügung, woraufhin ver.di die geplante Arbeitsniederlegung absagte. »Helios arbeitet mit allen Mitteln«, kommentierte ver.di-Sekretär Christian Reischl das Vorgehen. »Nach der Strategie des Aussitzens folgt nunmehr, in letzter Sekunde, eine einstweilige Verfügung über einen Frankfurter Anwalt.« Auf offenbar langfristig vorbereiteten 188 Seiten habe der Konzern »eine Phalanx an allerlei juristischen Argumenten aufgeboten«, um den Ausstand zu verhindern. Noch am Mittwochabend wollten die ver.di-Tarifkommission und die Streikdelegierten der Stationsteams über das weitere Vorgehen beraten.

»Es darf als sicher gelten: Der Arbeitskampf ist nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Wir lassen uns durch juristische Kniffe nicht aushebeln«, betonte der Verhandlungsführer der Gewerkschaft, Robert Hinke. Der ver.di-Landesfachbereichsleiter ist davon überzeugt, dass sich Helios mit dem Schritt keinen Gefallen getan hat. Das Urabstimmungsergebnis von 97 Prozent sei ein klares Signal. »Die übrigen drei Prozent dürften nunmehr überzeugt sein, dass es so nicht weitergehen kann.« Der Arbeitgeber müsse endlich zur Kenntnis nehmen, dass es nicht um Paragrafen, sondern um Menschen gehe – »um Menschen, die gepflegt werden und um Menschen, die diese Pflege unter immer schlechteren Bedingungen tagtäglich leisten«.

»Hinters Licht geführt«

Auch am anderen Ende der Republik, am Uniklinikum des Saarlands, sind die Beschäftigten empört. Während des Landtagswahlkampfs, in dem die Pflege eine große Rolle spielte, hatten die Homburger Uniklinik und einige andere Krankenhäuser Verhandlungen über einen Tarifvertrag Entlastung zugestimmt. Sie verhinderten so, dass ihre Beschäftigten zum Streik aufgerufen wurden. Das war im März. Acht Monate später ist klar: Das Uniklinikum will keine spürbare Entlastung per Tarifvertrag. »Die Basis in Homburg ist sauer über das Vorgehen des Arbeitgebers«, sagte der ver.di-Sekretär Michael Quetting. Die Beschäftigten fühlten sich »hinters Licht geführt«.

Verhandlungsführer Frank Hutmacher nannte das Vorgehen der Klinikleitung verlogen. »Verhandlungen werden mittlerweile als Gesprächsrunden tituliert. Die rund 5.000 Beschäftigten sind noch nicht ansatzweise entlastet. Die Arbeitgeberseite spielt auf Zeit.« Die ver.di-Mitglieder im Uniklinikum wollen am 17. Januar 2018 zusammenkommen, um zu entscheiden, wie es weitergeht. Der Personalpool, den die Uniklinik ab April einrichten will, wird sie jedenfalls nicht zufriedenstellen. Denn dieser soll mit gerade mal sechs Pflegekräften besetzt werden – bei insgesamt 3.820 Vollzeitkräften im Pflege- und Funktionsdienst.

Während die Verhandlungen im Saarland erst einmal beendet sind, sollen sie an den baden-württembergischen Unikliniken in Ulm, Tübingen, Heidelberg und Freiburg endlich richtig losgehen. Am Donnerstag (7. Dezember 2017) treffen sich ver.di und der Arbeitgeberverband der vier Kliniken. Die Gewerkschaft will dabei verbindliche Mindestbesetzungen durchsetzen, insbesondere für Pflegekräfte auf den Stationen, in den OPs und Funktionsdiensten. Auch hier hatten die Arbeitgeber in den vergangenen Wochen auf Zeit gespielt und Streiks mit juristischen Mitteln verhindert. »Entweder, die Arbeitgeber sind zu verbindlichen Regelungen bereit, oder die Zeichen stehen auf Konfrontation«, betonte ver.di-Verhandlungsführerin Irene Gölz. Zu einer Lösung gehöre auch ein »Konsequenzenmanagement«, also Maßnahmen, die automatisch greifen, falls Mindestbesetzungen nicht eingehalten werden – zum Beispiel Bettenschließungen.

Auch am SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach in der Nähe von Karlsruhe wird derzeit verhandelt. Der dortige Arbeitgeber möchte mit ver.di über »innovative« Ideen zur Entlastung sprechen – inklusive möglicher Regelungen zur Mindestbesetzungen auf den einzelnen Stationen. Das soll im Uniklinikum Essen ebenfalls Thema werden. Bei einem ersten Gespräch haben beide Seiten vereinbart, dass die ver.di-Tarifkommission die nötigen Mindestbesetzungen in den Bereichen erfasst. Auf dieser Grundlage sollen die Verhandlungen im Februar 2018 fortgesetzt werden. Die Ernsthaftigkeit des Klinikvorstands habe sie positiv überrascht, berichtete die ver.di-Aktivistin und Personalratsvorsitzende Alexandra Willer. »Wie ernsthaft der Wille ist, an der miserablen Situation der Beschäftigten wirklich etwas zu ändern, werden wir im Februar sehen, wenn wir über die konkreten Mindestbesetzungszahlen sprechen.«

Am Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) hat ver.di bereits einen Einstieg in die Entlastung geschafft. Der bundesweit erste Entlastungstarifvertrag in einem privaten Krankenhaus soll rund 100 zusätzliche Pflegestellen bringen und betriebsbedingte Kündigungen sowie Ausgliederungen ausschließen. Die ver.di-Tarifkommission will am Freitag (8. Dezember 2017) über die Annahme des Ergebnisses entscheiden. Derzeit laufen an beiden Standorten und zu unterschiedlichen Zeiten Betriebsversammlungen, auf denen sehr engagiert diskutiert werde, berichtete ver.di-Sekretär Fabian Rehm. »Unabhängig davon, wie man zu dem Verhandlungsergebnis steht: Allen ist klar, dass es nur ein Zwischenschritt zu weiterer Entlastung sein kann.«

 

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