Gewerkschaft international

Servicebeschäftigte wehren sich

10.08.2017
August 2017: Streik von Servicekräften in London

In vier Krankenhäusern des St. Barts Trusts in London ist es dieser Tage ziemlich dreckig. Zwei Wochen lang haben über 700 Reinigungskräfte und andere Servicebeschäftigte des privaten Dienstleisters Serco gestreikt. Am 18. August 2017 wollen sie ihren Ausstand fortsetzen, wenn sich der Arbeitgeber in den Tarifverhandlungen nicht bewegt. Ihre Forderung: 30 Pence (etwa 33 Cent) mehr pro Stunde. Zugleich geht es ihnen um die hohe Arbeitsbelastung, die mit Übernahme durch Serco im April 2017 massiv zugenommen hat. Der Konflikt ist eine Folge von Ausgliederungen und Privatisierungen im Servicebereich von Krankenhäusern, die international stattfinden. Er zeigt aber auch: Widerstand ist möglich.

Es war am Morgen des 4. April, nur wenige Tage nachdem der 600 Millionen Pfund (etwa 664 Millionen Euro) schwere Dienstleistungsvertrag zwischen Serco und den Kliniken des National Health Service (NHS) in Kraft getreten war. Die morgendliche Tee-Pause sei gestrichen, teilte das Management den Reinigungskräften lapidar mit. Mary Agyei und ihre 140 Kolleginnen wollten sich das nicht gefallen lassen und versammelten sich dennoch in der Kantine zum Frühstück. »Viele hatten Angst, dass sie entlassen werden, aber wir haben gesagt: Wenn alle zusammenhalten, können sie uns nicht alle auf die Straße setzen«, erzählte die 60-jährige Mary Agyei einem Guardian-Reporter. Und so kam es dann auch. Drei Tage später wurde die bezahlte Pause wieder eingeführt.

Das hat den Beschäftigten Mut gemacht, sich gegen Niedriglöhne und die Willkür von Vorgesetzten zu wehren. Viele der größtenteils aus Ost- und Westafrika stammenden Frauen organisierten sich in der Gewerkschaft Unite. Bei der Urabstimmung votierten 99 Prozent der Mitglieder für Streik, nachdem das Unternehmen die Forderung nach einer Erhöhung der Stundenlöhne um 30 Pence abgelehnt hatte.

»Wir werden oft vergessen, aber unsere Arbeit ist ein entscheidender Bestandteil der öffentlichen Gesundheitsversorgung«, sagt Len Hockey, der seit 28 Jahren im Hol- und Bringedienst des Krankenhauses Whipps Cross im Osten Londons arbeitet. Die Lohnforderung sei sehr moderat, betont der Vorsitzende der örtlichen Gewerkschaftsgliederung von Unite. »Die Lebenshaltungskosten in London sind in letzter Zeit so stark gestiegen, dass die Leute zwei oder drei Jobs annehmen müssen, um über die Runden zu kommen.«

So zum Beispiel Adwoa Bema, die ab fünf Uhr morgens Büroräume reinigt, bevor sie um 7.30 Uhr in der NHS-Klinik Royal London ihren Dienst beginnt. Seit Serco übernommen hat, müsse sie dort nicht nur putzen, sondern werde auch als Pflegeassistentin eingesetzt – ohne dafür je geschult worden zu sein.

»Es gehe nicht nur ums Geld. Es geht um Würde und Respekt«, erklärt die Streikaktivistin Mary Agyei. Ihre Kollegin Emilia Oforikumah fügt hinzu, es gebe einfach zu viel Arbeit für zu wenige Beschäftigte. »Wenn ich 60 Zimmer in einer Siebeneinhalb-Stunden-Schicht putzen soll, was erwarten sie? Dass ich tot umfalle?« Perry Kaye, der ebenfalls als Putzkraft in der Klinik Royal London arbeitet, verweist auf die gefährlichen Folgen des Arbeitsdrucks: »Im Krankenhaus muss es richtig sauber sein. Sonst stehen Menschenleben auf dem Spiel.«

Der Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn betont ebenfalls in einer Stellungnahme die wichtige Arbeit der Servicebeschäftigten für das öffentliche Gesundheitssystem NHS, auch wenn sie bei einem privaten Dienstleister angestellt sind. Obwohl das Unternehmen im vergangenen Jahr 82 Millionen Pfund (etwa 90,78 Millionen Euro) Gewinn gemacht habe, verweigere Serco seinen Beschäftigten eine Lohnerhöhung von nur 30 Pence. »Indem sie für bessere Bedingungen streiken, zeigen sie, dass sich die Beschäftigten gegen die wenigen Mächtigen wehren können –wenn sie zusammenhalten«, so Corbyn.

 

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